Was schon bei Workshops vor Ort für den Erfolg wichtig ist, gilt für die Online-Zusammenarbeit umso mehr. Um euren nächsten Workshop oder euer nächstes Meeting möglichst energiegeladen und spannend gestalten zu können, möchte ich euch im Folgenden sieben Energizer vorstellen. Probiert sie gerne aus und berichtet von euren Erfahrungen.
Langes Starren auf einen Monitor reizt nicht nur die Augen und macht müde, sondern sorgt auch für Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen, senkt die Produktivität und erhöht die Fehlerquote bei der Arbeit. Daher empfiehlt es sich spätestens nach 55 Minuten Arbeit am Bildschirm eine Pause einzulegen. Um die Wirkung von Arbeitspausen auf Gesundheit, Motivation und die Leistung zu untersuchen, hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in einer Übersichtsarbeit über 150 Studien gesichtet. Dabei zeigte sich, dass Kurzpausen die Arbeitsleitung erhöhen und zwar in solchem Maße, „dass solche Pausen nicht notwendigerweise nachgearbeitet werden müssen, da aufgrund der positiven Effekte ein Zeitverlust vollständig kompensiert wird.“ Vor allem kürzere und häufigere Pausen führen zu einem besseren Wohlergehen, das gilt „insbesondere [für] kurze Aktivpausen bei sitzenden Tätigkeiten mit geringen körperlichen Anforderungen.“
Wir können also zusammenfassen: regelmäßige, kurze und vor allem aktive Pausen steigern unsere Leistung und helfen uns dabei konzentriert bei der Sache zu bleiben. Solche Pausen sind auch bekannt als Aktivierer – oder etwas hipper: Energizer!
Die Idee von Energizern ist nicht neu. Vielmehr gehören Aktivierungen in den Werkzeugkoffer eines jeden guten Trainers und Facilitators. Allerdings sind die meisten solcher Übungen darauf ausgelegt, dass man sich mit einer Gruppe physisch in einem Raum bewegen und interagieren kann. Durch die COVID-19-Krise und die Notwendigkeit, im Homeoffice zu arbeiten, ist jedoch eine allgemeine Remote-Situation zum „überraschenden Normalfall“ geworden.
Daher müssen wir unseren Werkzeugkoffer noch einmal genauer checken: Welche Übungen und Energizer funktionieren auch online? Manche Tools sind nutzlos geworden, andere müssen geschliffen und angepasst werden. Und vielleicht brauchen wir auch ganz neue Ideen, um mit den geänderten Rahmenbedingungen erfolgreich zu sein.
Dem Gedanken folgend stelle ich euch hier bekannte Energizer vor, die auch in einem Online-Setup funktionieren, und solche, die wir ein wenig anpassen müssen, um sie sinnvoll nutzen zu können. Darüber hinaus gebe ich euch auch ein paar neue Ideen mit, die gerade erst in einer Remote-Situation ihre volle Wirkung entfalten.
1-2-Whoop!
Der erste Energizer ist ein echter Klassiker, der mit ein paar technischen Voraussetzungen auch online gut funktioniert. Teilt eure Teilnehmer in Zweiergruppen auf, die sich wiederum auf einzelne Video-Calls verteilen (z. B. Breakout-Sessions bei Zoom oder einfach per Smartphone). Denn dort haben die Pärchen die Aufgabe, gemeinsam und abwechselnd bis drei zu zählen:
- Spieler A: „Eins!“
- Spieler B: „Zwei!“
- Spieler A: „Drei!“
- Spieler B: „Eins!“
Wenn das einwandfrei funktioniert, wird die „Eins!“ durch eine Geste ersetzt, die sich Spieler A ausdenken darf (z. B. Klatschen). Mit der Geste wird ein neuer Durchgang gestartet und so lange gezählt, bis es wiederum flüssig klappt (ca. 1 Minute). Nun schnappen wir uns die „Zwei!“ und ersetzen sie ebenfalls durch eine Geste, die sich Spieler B überlegen darf (z. B. Fingerschnipsen). Ist auch diese Zählweise verinnerlicht, ist die „Drei!“ dran. Wir suchen auch für sie eine Geste oder einen Laut (z. B. ein energisches „Whoop!“) und spielen eine letzte Runde. Diese Übung entkrampft die Gehirnwindungen deiner Teilnehmer und sorgt für eine Menge Spaß und Lachen.
Beim Briefing für die Aufgabe hilft es sehr, wenn der Ablauf und die Regeln auf einem Online-Whiteboard oder einer Online-Plattform für alle visualisiert sind. So können die Zweiergruppen noch einmal nachlesen, wenn sie sich unsicher sind.
Bis 20 zählen – remote!
Ein weiterer Klassiker, der für ein Online-Meeting nicht einmal angepasst werden muss. Dafür hat er es aber so richtig ins sich! Aufgabe für die Gruppe ist es, gemeinsam bis „20“ zu zählen. Dabei dürfen sie allerdings keine feste Reihenfolge einhalten und sobald mehrere Personen die gleiche Zahl sagen, starten alle wieder bei „1“.
Für die Übung empfiehlt es sich, einen gemeinsamen Video-Call zu nutzen, denn schon so ist sie durchaus anspruchsvoll und ohne „Sichtkontakt“ noch deutlich schwieriger. Trotzdem noch zu einfach?! Dann lasst euer Team bis „71“ zählen – allerdings nur die Primzahlen.
Was es mir bedeutet…
Den folgenden Energizer habe ich mir bei meinen Kollegen Stefan Mieth und Florian Sauter abgeguckt. Sie benutzen ihn gerne bei unseren Online-Trainings, in denen er als kurze Kennenlernübung und zum warm werden dient.
Auch hier sollte sich die Gruppe in Zweier- oder Dreier-Gruppen aufteilen und sich in eigenen Video-Calls treffen. Nun nimmt sich jeder Teilnehmer einen Gegenstand in Greifweite und erklärt seinem Gegenüber in maximal 2 Minuten, was ihm dieser Gegenstand bedeutet. Auf diese Weise habe ich von einem Kollegen erfahren, warum er immer einen kleinen Plastik-LKW dabei hat, und er im Gegenzug von mir, wie und vor allem warum ich mir selbst das Löten beigebracht habe
Show me around
Die bisherigen Übungen dienen vor allem dazu, den Kopf frei zu kriegen, sich locker zu machen und gemeinsam zu lachen. Nun ist es an der Zeit, den Allerwertesten zu erheben und sich ein wenig zu bewegen.
Für “Show me around” ist es wichtig, dass im Team bereits eine Vertrauensbasis besteht. Wenn sich das Team schon ein wenig kennt und miteinander gearbeitet hat, ist es eine tolle Übung, um die Kollegen noch besser kennenzulernen und damit weiteres Vertrauen aufzubauen. Voraussetzung für die Übung ist, dass alle über ein Mobile Device verfügen, mit dem sie sich in einem Video-Call treffen – das kann ein Laptop, ein Smartphone oder ein Tablet sein. Wir teilen uns wiederum in kleineren Gruppen von zwei bis drei Personen auf und machen nacheinander mit unseren Kollegen eine kleine Führung durch unsere Wohnung oder unser Haus. Dabei zeigt natürlich jeder nur das, was er zeigen möchte, und es ist auch erlaubt, etwas schneller über die unaufgeräumten Ecken zu huschen. Wenn man das beachtet, ist „Show me around“ eine großartige Gelegenheit, etwas Neues über die Kollegen zu erfahren, mit denen man Tag für Tag im gleichen Projekt arbeitet. Willkommener Nebeneffekt: alle sind einmal aufgestanden und haben sich die Füße vertreten.
Get the Bulb!
Wir bleiben aktiv und würzen die nächste Übung noch mit ein wenig Action. Bei „Get the Bulb“ dreht sich alles um Geschwindigkeit. Wir befinden uns in einem gemeinsamen Video-Call und der Moderator sagt nacheinander verschiedene Haushaltsgegenstände an. Am besten solche, für die man ein wenig kramen muss, oder die zur allgemeinen Erheiterung beitragen. Der erste Teilnehmer, der den Gegenstand findet und zum Beweis in die Webcam hält, gewinnt. Bewährt haben sich unter anderem: Badeenten, Glühbirnen (Namensgeber der Übung) oder Sonnenbrillen (die können die Teilnehmer gleich aufbehalten). Seid kreativ!
Toilet Paper Tower
Es bleibt flott! Auch für Toilet Paper Tower fliegen wir auf heißen Sohlen durch die Wohnung. Dabei geht es um das begehrteste Gut der aktuellen Krise: Toilettenpapier. Die Regeln der Übung sind denkbar einfach: die Teilnehmer haben 1 Minute Zeit und der höchste Turm aus Toilettenpapierrollen gewinnt. Und nicht vergessen die Webcams einzuschalten – zu Beweiszwecken versteht sich! Zugegeben: der Moderator hat wahrscheinlich am meisten Spaß an der Übung, wenn er den Teilnehmern dabei zuschaut, wie sie ihre mehrlagigen Bauwerke aufeinanderschichten.
Toilet Paper Castle
„Toilet Paper Tower“ ist für Anfänger – „Toilet Paper Castle” für Vollprofis! Das Spielprinzip und vor allem das Grundmaterial bleiben das gleiche. Nur gewinnt dieses Mal nicht das höchste Bauwerk, sondern das schönste. Fordert eure Teilnehmer auf, kreativ zu sein! Für die Übung könnt ihr gut und gerne 3 bis 5 Minuten Zeit geben. Die Ergebnisse werden euch für die investierte Zeit großzügig entlohnen. Welches das schönste Bauwerk ist, ermittelt ihr übrigens am besten per Punktevergabe durch die Teilnehmer.
Spätestens jetzt sollten sich alle eure Teilnehmer bewegt, den Kopf frei gemacht und ordentlich gelacht haben. Nicht jeder Energizer passt in jede Situation, daher solltet ihr bewusst auswählen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Probiert aus, seid mutig und ein Quäntchen verrückter als erwartet. Eure Teams werden es euch danken.
Remote-Workshops und -Trainings bedienen sich eines eigenen Mediums. Manches funktioniert, anderes nicht und manches muss angepasst werden. Das Schöne daran: Eine neue und ungewohnte Situation bietet immer auch die Chance, erfinderisch zu sein und Neues auszuprobieren. Ich hoffe, dafür konnte ich euch ein paar Ideen und Inspirationen mitgeben.
Was sind eure Erfahrungen mit Online-Meeting? Welche Energizer nutzt ihr? Schreibt es in die Kommentare und lasst uns unsere Ideen austauschen.
Kämpft ihr mit anstrengenden, ewigen Online-Meetings ohne klare Ergebnisse? Oder stellt euch die aktuelle Situation vor andere Probleme in der Zusammenarbeit? Wir, eine Gruppe aus erfahrenen systemischen und agilen Coaches, unterstützen euch gerne bei der Lösung eurer individuellen Herausforderungen.
Weiteren Lesestoff zum Thema „Online Collaboration“ findet ihr hier: